Tagebuch der „SRC Marisol“
24. August 2025 – Travemünde
Kilometerstand: 2.200 km
Gestern war ein Tag, der mir tief ins Holz geschrieben bleibt. Ich glitt heimwärts, zurück über Travemünde zur Herreninsel, wo meine Reise auch für dieses Mal endete. Die See war wieder mild, der Wind trug mich wie auf Händen, und die Sonne brach am Horizont durch die Wolken, als wollte sie mich willkommen heißen.
Doch dieser Einlauf war mehr als nur das Ende einer Fahrt. Er war ein Geburtstag. Genau vor einem Jahr nahm mich mein Eigner Björn in seine Obhut. Seitdem bin ich jede Woche aufs Wasser hinausgetragen worden – von April bis Oktober, ohne Ausnahme. Keine langen, stillen Tage im Hafen, kein verstaubtes Warten am Steg. Nein – ich durfte atmen, durfte leben.
„Hafenlieger ist für mich keine Option“, sagt er oft. Und ich weiß, er hat recht.
Denn Stillstand ist für mich schlimmer als Sturm. In der Bewegung bin ich ganz, in der Fahrt bin ich wahr. Die Motoren pochen dann wie Herzschläge, mein Kiel schneidet das Wasser, und ich fühle, dass ich noch immer dazu gehöre – trotz meines Baujahres 1975, trotz meiner langen Geschichte.
Björn sagt manchmal lachend, ich könnte rosten. Wie gut, dass er dabei irrt: Mein Rumpf ist aus starkem GFK, mein Aufbau aus Holz, vom Wasser gezeichnet, von der Sonne geküsst. Rost kenne ich nicht. Aber ich weiß, was er meint: Ein Schiff rostet nicht aus Stahl, sondern aus Einsamkeit.
Nun stehe ich bei 2.200 Kilometern. Eine Zahl wie ein Meilenstein. Jede Fahrt ein Herzschlag, jede Welle ein Atemzug. Und ich weiß: Solange er an meiner Seite bleibt, werde ich weiter leben, weiter erzählen, weiter fahren.
Die drei Tage nach Wismar waren ein Geschenk, doch das größte Geschenk war der Augenblick gestern: Heimkehr und Jubiläum zugleich. Ich bin eine glückliche Adler – und ich bin stolz, Björns Marisol zu sein.
– Mit Herz und Seele,
Deine Marisol 🛥️




Voreigner Ralf, Bootsmann Andi und Eigner Björn feierten diesen Moment bei einem kühlen, alkoholfreien Getränk und Labsbskaus und Lachs im Restaurant Marina Travemünde.